Haupt- und Landgestüt Marbach – Beruf Wagner
Ein Rad ist kein Schrank
„Der Beruf ist so alt, wie es Räder gibt“, sagt Heribert König, der auf dem Haupt- und Landgestüt in Marbach schon 20 Jahre seiner Arbeit als Wagner nachgeht. Viel abgeschaut hat sich der gelernte Schreiner dabei schon als Kind bei seinem Vater, der in eigener Werkstatt viele Jahre den Beruf des Wagners ausübte.
Schon Asterix und Obelix vertrauten bei der Eroberung des fernen Roms wohl auf das Können eines Wagners. Kampf- und Transportwägen, später auch die Kutschen, waren damit schon vor Jahrzehnten auf gute Räder angewiesen, die sich auf ungnädigen Schotterpisten bewährten.
Ohne Schmied kein Reifen
„Jedes Rad ist Handarbeit“, weiß König. „Früher wie heute“. Doch: „Ohne Schmied kein Reifen“, fügt er umgehend an und zeigt auf die Werkstatt nebenan. „Früher gab es in jedem Dorf ein bis zwei Wagner, heute gibt es in Deutschland vielleicht noch zwei bis drei Ausbildungsstellen für diesen Beruf“, bedauert König. Und weil ein Rad eben kein Schrank ist, gingen die Wagner früher oft selbst in den Wald, um den passenden Baum herauszusuchen, dessen (rund- oder krummgewachsenes) Holz sie in seiner Form weiterverwenden konnten. Daher kommt auch der alte, schwäbische Begriff „dr´ Krummholz“, als Kosenamen für den Wagner, verrät König schmunzelnd. Heute wird der Aufwand mit dem Waldgang eher nicht mehr betrieben. Vom Wald über die Trocknung des Holzes bis zur eigentlichen Bearbeitung vergehen immerhin fünf bis acht Jahre, erklärt er. Natürlich könne man das Holz auch künstlich trocknen, doch das sei mit deutlich erhöhten Kosten verbunden. Hölzer verarbeitet der Wagner in einem Rad gleich unterschiedliche. In der Regel stammten diese aber aus der Region und nicht unbedingt aus dem Elsass, informiert der Mann aus Ehestetten nebenbei.
Holz aus der Region
Während für die Felgen ein Hartholz, nämlich eine gut abgelagerte Buche gebraucht wird, verarbeitet man Esche für die Speichen. „Esche hat einen langen Faserverlauf und ist zäh, kann deshalb Spannungen gut ausgleichen“. Hingegen Eiche oder Mehlbeerbaum – ab und an auch Hagebuche – das Holz für die Naben der Räder liefern. „Dem Holz muss man verbunden sein, wenn man diesen Beruf ausübt“, unterstreicht König. Während ein Wagner ausschließlich massives Holz verarbeitet, hat der Schreiner freilich auch mit Furnieren zu tun. Sein Werkzeug hütet ein Wagner wie den Augapfel. „Es muss immer scharf sein“. Imposant ist dabei nicht nur der extragroße Holzzirkel, mit dem man den (großen) Bogen für das Rad schließlich hinbekommen muss. Gewöhnliche Felgen bestehen aus sechs Teilstücken Holz. Ein Teilstück aus Metall spannt alles zusammen. Das Rad selbst wird ganz ohne Leim gemacht, dafür aber braucht es spezielle Felgenschrauben, die vom Schmied geschmiedet werden, erklärt der Handwerker. Während Wagner auch große Schlitten bauten, verdankte man ihrem Handwerk gar den „Schneepflug des letzten Jahrhunderts“. „An den Spitzpflug kamen damals vier Pferde dran, die die Straßen vom Schnee befreiten“, weiß er. Einmal Wagner, immer Wagner? „Ja“, lacht König, der seinem Vater Linus mit 80 Jahren auch heute noch in der Werkstatt zur Hand geht und dabei bereits seinen 14-jährigen Sohn zugucken, lernen und mitarbeiten lässt.
Text & Fotografie: Patricia Kozjek
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